Zum Inhalt springen
Grisebach
.
26 Emil Nolde

Nolde 1867 – 1956 Seebüll

„Leuchtende Sonnenblumen“. 1950

Öl auf Leinwand. 68,5 × 89 cm (27 × 35 in.) Unten rechts signiert: E. Nolde. Auf dem Keilrahmen in Schwarz signiert und betitelt: Emil Nolde: Leuchtende Sonnenblumen

Provenienz

Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde / Marlborough Fine Art, London (um 1970/72) / Galerie Levy, Hamburg (1979) / Henri Nannen, Hamburg / Galerie Thomas, München (um 1980/81) / Privatsammlung, Rheinland

EUR 800.000 - 1.200.000

USD 896.000 - 1.340.000

Verkauft für:

985.000 EUR (inkl. Aufgeld)

Herbstauktionen 2016

Ausgewählte Werke, 1. Dezember 2016

Ausstellung

Masters of the 19th and 20th Centuries. New York, Marlborough Fine Art, 1972, Kat.-Nr. 59, mit Farbabbildung / Emil Nolde. Aquarelle, Bilder, Graphiken. München, Galerie Thomas, 1981, Kat.-Nr. 82, mit Farbabbildung

Literatur und Abbildung

Doris Runge: Leuchtende Sonnenblumen. In: Grisebach. Das Journal. Heft 6, Berlin 2016, S. 42-43, mit Farbabbildung

Acht Sonnen gehen auf – Emil Nolde bringt die Sonnenblumen seines Gartens zum Leuchten Das Motiv der Sonnenblume faszinierte Emil Nolde sein Leben lang. Erste Anregungen hierzu bot ihm die Kunst Vincent van Goghs, die Nolde bei seinem Förderer und Mäzen, dem Hamburger Landgerichtsdirektor Gustav Schiefler (1857-1935), kennengelernt hatte. Dieser erwarb als einer der ersten deutschen Sammler bereits 1905 zwei Bilder van Goghs, welche Nolde ein Jahr darauf in dessen Haus bewundern konnte. Sie hinterließen bei ihm einen bleibenden Eindruck. Später rühmte er den großen Niederländer in einem Brief als einen der „Eisbrecher“ im Kampf um die moderne Malerei. Sonnenblumen tauchen zuvörderst in Noldes Aquarellen auf. Die ersten datieren in die zweite Hälfte der 1920-Jahre. In der Regel wählt der Maler hierbei einen extrem engen Bildausschnitt (Abb. links). Die Blüten der Sonnenblumen werden bisweilen sogar von den Blatträndern abgeschnitten, zum einen, um deren Größe zu verdeutlichen, aber auch, um nicht durch schmückendes Beiwerk vom eigentlichen Bildgegenstand abzulenken. Deshalb ist auch der Hintergrund bewusst diffus gehalten. Nichts soll von dem eigentlichen Motiv, das den Maler so fasziniert, ablenken: den in ganz unterschiedlichen Gelb- und Orangetönen gehaltenen Zungenblüten und dem gleichfalls variabel gefärbten braunen Blütenstand der Sonnenblume. Im September 1928 – noch während sich Haus Seebüll im Bau befindet – kann Nolde seinem Freund Hans Fehr begeistert berichten „von unserem jungen Gar- ten mit seiner schwellenden Blumenfülle (...) so schön, wie niemals zuvor wir es hatten. Die Sonnenblumen steigen so hoch, und ich mit rückwärts gebeugtem Nacken stehe der Schönheit dankbar staunend davor. Kaum fassbare Farben glühen, und der Resedaduft wird getragen bis ins Haus hinan“ (Brief Emil Noldes an Hans Fehr vom 20. September 1928, Archiv der Nolde Stiftung Seebüll). Und nun werden Sonnenblumen auch in Noldes großformatigen Blumenbildern in Öl zum zentralen Motiv. Sie sind hier mit Abstand am häufigsten vertreten. Es gibt ganze Serien davon, welche vom Maler zur leichteren Unterscheidung durchnummeriert oder aber – wie in unserem Falle – nur durch Hinzufügen eines beschreibenden Adjektivs im Titel näher spezifiziert werden. Diese Bilder entstanden nicht unmittelbar nacheinander, sondern über Jahrzehnte hinweg, vom Ende der 1920er-Jahre bis ins hohe Alter. Wie zahlreiche andere Maler seiner Zeit erkannte auch Nolde in der Sonnenblume einen besonderen Stimmungsträger der modernen Malerei. Ihre Größe und die Ausrichtung ihrer Blüte nach dem Lauf der Sonne ließ sie für ihn zu einem Gegenbild des Menschen werden, zu einem Symbol für den Zyklus des Lebens und des Strebens nach einem erfüllten Dasein. Das Gemälde „Leuchtende Sonnenblumen“ zeigt acht Blüten in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Keine gleicht der anderen, sie differieren deutlich in Größe und Farbigkeit. Gemeinsam ist ihnen nur die Hinwendung zum Betrachter, als wollten sie als Subjekte einen stillen Dialog beginnen. Über einige Blüten hat Nolde Schattenzonen gelegt und die Farbigkeit innerhalb jeder einzelnen Blüte variiert. Auch die dunkelbraunen Blütenkörbe sind individuell gestaltet. Den kaltfarbigen Fond bilden die Grüntöne der Blätter sowie der diffus blaue Himmel. Der enge Bildausschnitt macht die unmittelbare Umgebung unkenntlich und ortlos. Nichts soll ablenken von der rotorangefarbenen Blütenpracht, nichts die Zwiesprache von Mensch und Natur beeinträchtigen. Nolde schrieb einmal über seine Blumenbilder: „Es sollen diese Bilder keine gefällige, schöne Unterhaltung sein, nein, ich möchte so gern, dass sie mehr sind, dass sie heben und bewegen und dem Beschauer einen Vollklang vom Leben und menschlichen Sein geben“ (Max Sauerlandt: Emil Nolde – Briefe 1894-1926. Hamburg, Furche-Verlag, 1967, S. 90). Andreas Fluck