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Grisebach
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7 Max Liebermann

1847 – Berlin – 1935

„Die Große Seestraße in Wannsee mit Spaziergängern“. Um 1926

Öl auf Leinwand. 60 × 73 cm (23 ⅝ × 28 ¾ in.) Unten links signiert: M Liebermann

Provenienz

Privatsammlung, Saarland

EUR 350.000 - 450.000

USD 394.000 - 506.000

Verkauft für:

889.000 EUR (inkl. Aufgeld)

Herbstauktionen 247-254

Ausgewählte Werke, 26. November 2015

Literatur und Abbildung

Versteigerungskatalog: Modern Paintings. New York, Parke-Bernet, 19.1.1955, Kat.-Nr. 81, m. Abb. / Holly Prentiss Richardson: Landscape in the Work of Max Liebermann. Phil. Diss., 3 Bände. Ann Arbor, Brown University, Rhode Island 1991, hier Bd. II, S. 243, Nr. 691

Seit Max Liebermann ein Sommerhaus am Wannsee besaß, verbrachte er dort regelmäßig etliche Monate im Jahr, um vor dem Lärm der Großstadt zu fliehen und in Ruhe zu malen. Vor allem der Garten der Villa war sein ganzer Stolz. Bei der Anlage der Blumen- und Gemüsebeete hatte sich der Maler nicht nur vom damaligen Berliner Gartendirektor Albert Brodersen beraten lassen, sondern auch von Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle. Das Spiel von Licht und Schatten in den Bäumen, die kräftigen Farben der Blumen, die Liebermann hier tagtäglich zu sehen bekam, lieferten ihm unzählige Bildmotive. Sie wirkten auf ihn wie eine letzte, endgültige Befreiung von allen akademisch-künstlerischen Konventionen. Ein Kolorist von hohen Graden war er schon immer gewesen. Nun erlangte er auch in Farbauftrag und Pinselführung eine ungekannte Lockerheit. Unser Gemälde mit dem Titel „Die Große Seestraße in Wannsee mit Spaziergängern“ scheint auf den ersten Blick nicht zu den Gartenbildern zu gehören, doch dieser Eindruck täuscht. Die Große Seestraße heißt heute Am großen Wannsee, und die lange Gerade, die man auf dem Bild erkennt, spricht dafür, daß das Werk praktisch direkt vor Liebermanns Haustür entstanden sein muß. Es stammt aus der Mitte der 1920er Jahre – und damit aus jener Zeit, in der dem damals fast 80jährigen Liebermann seine malerischen Mittel in geradezu verschwenderischer Fülle zur Verfügung standen. Für die Allee genügten ihm wenige breit und temperamentvoll gezogene Striche. Auch die Sonnenstrahlen, die er durch die Baumkronen auf die Fahrbahn fallen läßt, fügen sich trotz ihrer Skizzenhaftigkeit zur vollkommenen Illusion eines warmen Frühsommertages. Zahlreiche Passanten und zwei Autos beleben die Szene. Liebermann, der trotz seiner Stadtflucht stets Stadtmensch geblieben ist, hatte gegen den Trubel sicher nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Es war dem Künstler wahrscheinlich ganz recht, daß ihm in seinem ländlichen Refugium halb Berlin begegnete. UC