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Grisebach
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5 Max Liebermann

1847 – Berlin – 1935

„Der Nutzgarten in Wannsee nach Westen“. 1922

Öl auf Leinwand. Doubliert. 74,5 × 98,5 cm (29 ⅜ × 38 ¾ in.) Unten rechts signiert und datiert: M Liebermann 1922. Auf dem Keilrahmen ein Etikett der Galerie Paul Cassirer, Berlin

Provenienz

Donner Elmenhorst, Hamburg (1922 direkt beim Künstler erworben, seitdem in Familienbesitz)

Addendum/Erratum

Provenienz: Atelier des Künstlers / Galerie Paul Cassirer, Berlin (1922) / Marcell Goldschmidt & Co., Frankfurt a.M. (1922) / Donner Elmenhorst, Hamburg (vor 1926 erworben, seitdem in Familienbesitz). Ausstellung: Der deutsche Impressionismus. Bielefeld, Kunsthalle, 2009, Farbabbildung S. 123

EUR 500.000 - 700.000

USD 648.000 - 907.000

Verkauft für:

951.600 EUR (inkl. Aufgeld)

Auktionen 207-214

Ausgewählte Werke, 30. Mai 2013

Ausstellung

„Nichts trügt weniger als der Schein“. Max Liebermann, der deutsche Impressionist. Bremen, Kunsthalle, 1995/96, Kat.-Nr. 64, ganzseitige Farbabbildung S. 209 / Im Garten von Max Liebermann. Hamburg, Hamburger Kunsthalle, und Berlin, Alte Nationalgalerie (SMB-PK), 2004/05, Kat.-Nr. 40, ganzs. Farbabb. S. 69

Literatur und Abbildung

Günter und Waldtraut Braun (Hrsg.): Max Liebermanns Garten am Wannsee und seine wechselvolle Geschichte. Berlin, Nicolai, 2008, ganzs. Farbabb. S. 26 / Weingarten-Kalender 2013: Max Liebermann. Die Stille des Gartens. Unterhaching, KV&H Verlag, 2012, hier das November-Blatt

Max Liebermanns Garten am Wannsee lieferte dem Maler unzählige Motive für sein grandioses impressionistisches Spätwerk. Dazu zählt auch das hier präsentierte Gemälde „Der Nutzgarten in Wannsee nach Westen“ von 1922. Mit aller, in über fünfzig Jahren erworbenen Virtuosität wirft der Künstler den Himmel hin, skizziert in wenigen Pinselstrichen die Bäume und gibt dem Betrachter dabei eine eindrückliche Vorstellung von dem üppig wachsenden grünen Lebensraum, den er sich am westlichen Ufer des Sees mit seinem Haus und dem dazugehörigen kleinen Park geschaffen hatte. Daß der Maler den überwiegend mit roten und weißen Rosen bepflanzten Beeten besondere Aufmerksamkeit schenkte, ist nicht weiter verwunderlich, denn nicht nur das Bild, das gerade entstand, war sein Werk – der Garten war es ebenso. Als Max Liebermann das Grundstück Am großen Wannsee Nr. 42 erwarb, um darauf ein Sommerhaus für sich zu bauen, war er 62 Jahre alt und gesundheitlich nicht in bester Verfassung. Der – von ihm maßgeblich entfachte – Streit zwischen Impressio-nisten und Expressionisten in der Berliner Secession hatte den Maler mitgenommen, auch der stetig anwachsende Erfolg als Künstler forderte seinen Tribut: Liebermann benötigte dringend Ruhe. Mit dem Bau der Villa beauftragte er Paul Baumgarten d.Ä. Nur ein Jahr darauf, im Juli 1910, zogen er und seine Familie ein. „Vor dem Haus,“ hatte er den Architekten angewiesen, „soll eine einfache Wiese angelegt werden, so daß ich von den Zimmern ohne Hindernis auf den See sehen kann. Und links und rechts vom Rasen will ich gerade Wege. Das ist die Hauptsache.“ (zit. nach: Günter und Waldtraut Braun (Hrsg.): Max Liebermanns Garten am 
Wannsee und seine wechselvolle Geschichte, Berlin 2008, S. 15). Da das Grundstück als Teil der Villenkolonie Alsen im hinteren, vom See abgewandten Bereich bereits über alten Baumbestand verfügte, konnte sich Liebermann von nun an ganz auf das konzentrieren, was sich entlang „der geraden Wege“ abspielen sollte. Der Künstler hatte präzise Ideen entwickelt, wie er die Anlage bepflanzen wollte. Und er ließ sich auch von anderen anregen, etwa von Willy Lange und dessen 1907 erschienenen Standardwerk „Gartengestaltung der Neuzeit“. Vor allem aber von Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle und überzeugten Anhänger der Gartenreformbewegung. Liebermann hatte Lichtwark, wohl eher im Scherz, schon etliche Jahre zuvor geschrieben: „Wissen Sie vielleicht ein Häuschen mit großem Garten für uns in der Umgegend von Hamburg?“ Und er fügt in aller Bescheidenheit an: „Es bräuchte ja nicht ganz so groß wie der Jänisch’sche Park zu sein.“ Er hätte nur gern „ein paar alte Bäume, in deren Schatten ich meine Modelle posiren lassen könnte“ (a.a.O. S. 13) Die Gartenreformbewegung stammte, wie so vieles damals, ursprünglich aus England. Dort hatte man im späten 19. Jahrhundert begonnen, vom eigentlichen „englischen Garten“ und seiner zunehmend als künstlich empfundenen forcierten Natürlichkeit Abstand zu nehmen. Ab jetzt sollten Gärten wie zusätzliche „Wohnräume im Freien“ behandelt werden, welche, wie die Häuser selbst, in erster Linie den Bedürfnissen der Bewohner dienten. Liebermann erschien es daher naheliegend, das Grundstück in unterschiedliche Bereiche aufzuteilen und außer Blumen auch Gemüse anzupflanzen, wie es zum Beispiel noch viele Jahre später die Schriftsteller Harold und Vita Sackville-West in ihrem berühmten Garten in Sissinghurst im Südosten von London taten. Lichtwark steuerte seinerseits detaillierte Gestaltungsvorschläge bei. Schon in seinem Aufsatz „Makartbouquet und Blumenstrauß“ hatte er geschildert, wie er einem „auswärtigen Bekannten“ bei einem Ausflug einen traditionellen Bauerngarten in den Marschen bei Hamburg zeigte: „Mein Freund machte mit den Händen einen Rahmen vor die Augen und probierte Bildermotive, wie die Maler thun. Hundert Bilder könnte er hier malen, meinte er, eines schöner als das andere.“ (zit. nach: Max Liebermann. Ausst.-Kat. Jahrhundertwende, Berlin 1997, S. 279). Dieser „auswärtige Bekannte“ war natürlich niemand anderes als Max Liebermann. Eine weitere wichtige Quelle der Inspiration war für ihn auch Johann Wolfgang von Goethe, der 1799 in seinem Essay „Über den Dilettantismus“ über den Garten schrieb: „Ideales im Realen. Streben nach Form in formlosen Massen. Wahl. Schöne Zusammenstellung. Ein Bild aus der Wirklichkeit zu machen, kurz erster Eintritt in die Kunst.“ (a.a.O., S. 280) Erster Eintritt in die Kunst: Es scheint, als habe Liebermann diesen Gedanken unmittelbar aufgenommen und weiter gesponnen – davon legt ein Meisterwerk wie „Der Nutzgarten in Wannsee nach Westen“ von 1922 beredt Zeugnis ab. Ulrich Clewing