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Grisebach
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Von Corinth bis Lichtenstein – überraschende Gegenüberstellungen im neuen Format der Abendauktion bei GRISEBACH

06.11.2019, Berlin

Zeit für neue Narrative: Zukünftig bringt Grisebach in seiner Abendauktion in gezielter Gegenüberstellung Highlights der Moderne mit zeitgenössischen Positionen in einen Austausch, der manch überraschenden Funken schlägt. So trifft Lovis Corinths kraftvoll bewegtes Stillleben „Rosen, Tulpen, Flieder“ von 1916 (EUR 300.000–400.000) auf Roy Lichtensteins von Claude Monets Seerosen inspirierte „Water Lilies“ von 1992 (EUR 200.000–300.000). Arnulf Rainers düstere Übermalung der fotografierten Totenmaske von Karl Kraus aus dem Jahr 1984 (EUR 40.000–60.000) erscheint hier plötzlich wie eine zur Abstraktion verdichtete Wiederaufnahme von Käthe Kollwitz eindringlicher Tuschzeichnung „Tod“ (1897, EUR 150.000–200.000). Auch Max Beckmanns glanzvolle Darstellung „Kleine Landschaft aus Bandol“ (1938, EUR 300.000–500.000) und Heinrich Kühns Fotografie „Landschaft mit Linden“ (EUR 100.000–120.000) – ein Meisterwerk des Piktorialismus – bilden solch eine Paarung wechselseitiger Aufladung. An der Spitze des Angebots der Modernen Kunst steht die Arbeit „Les fiancés aux anémones“ von Marc Chagall aus dem Jahr 1979 (EUR 1.000.000–1.500.000). Ein souveränes Spätwerk, das Chagall auf dem Gipfel seiner Gestaltungskraft zeigt und zugunsten des christlich-jüdischen Hilfswerks KIRIAT YEARIM versteigert wird. Wichtiges Zeugnis des Expressionismus ist die Künstlerpostkarte von Franz Marc mit dem Titel „Grünes und weißes Pferd“ (1913, EUR 250.000–350.000), während Max Pechsteins „Die hellgrüne Jacke“ aus dem Jahr 1919 (EUR 400.000–600.000) farbstark die frühe Brücke-Malerei markiert. Die Abteilung Zeitgenössische Kunst wartet mit einer qualitätsvollen Offerte wichtiger deutscher Künstler auf. So tritt eines der bedeutenden Bleibilder von Günther Förg („Ohne Titel“, 1991, EUR 250.000–350.000) neben einen besonders eindrücklich aufglühenden Farbbraumkörper von Gotthard Graubner, sein „bedecktes rot“ von 2001 (EUR 100.000–150.000).

Ein Cross-Over der Epochen inszeniert dagegen die ORANGERIE-Auktion mit dem Titel „Große Tiere – von animalisch bis politisch“. Artenvielfalt und Staatslenker amüsieren und polarisieren in Design, Fotografie, Autographen und Bildender Kunst von Jeff Koons, Emil Nolde, Pablo Picasso, Richard Wagner, Andy Warhol sowie Marlene Dietrich und Louise Bourgeois. Der Preußenkönig Friedrich II. erscheint im Karnevalskostüm auf einem gewaltigen Goldarmband (1763/1863, EUR 40.000–60.000), während in der riesigen Eidechse der portugiesischen Gegenwartskünstlerin Joana Vasconcelos menschliche Handwerkskunst mit animalischer Kraft verschmilzt („O Desejado“, 2007, EUR 40.000–60.000).

Spitzenlos der Auktion Photographie ist das Konvolut von 70 Porträts aus „Menschen des 20. Jahrhunderts“ von August Sander (EUR 300.000–500.000). Kurz vor seinem Tod hat Sander im Jahr 1961/63 noch diese Auswahl für seine letzte Ausstellung treffen können. Die gesamte Offerte der Abteilung stammt aus einer europäischen Unternehmenssammlung und präsentiert außerdem frühe Photographien des 19. Jahrhunderts mit Negres, Cameron und Kühn bis zu Klassikern der Moderne um Renger-Patzsch, Steinert und Irving Penn.

Traditionell beginnt die Auktionswoche am Mittwoch, 27. November mit der „Kunst des 19. Jahrhunderts“. Europäische Kunst- und Museumsgeschichte vereinen sich in einem Werk von königlicher Provenienz – 1849 erwarb König Ernst August I von Hannover mit dem „Wüstensandsturm“ ein Hauptwerk von Hermann Kretzschmer (Los 128, EUR 120.000–150.000), welches als Dauerleihgabe noch bis in jüngste Zeit im Hannoverschen Landesmuseum zu sehen war. Desweiteren sticht die Zeichnung „Gebirgssee in südlicher Landschaft“ hervor, um 1810 von Johann Wolfgang Goethe angefertigt (EUR 40.000–60.000) und einst im Besitz des bedeutenden Berliner Architekten Johann Heinrich Strack. Die Galerie Belvedere in Wien restituierte ein weiteres Schmuckstück aus der Sammlung des Verlegers Rudolf Mosse: Die „Parklandschaft in Plankenberg“ von 1887 von Emil Jakob Schindler (EUR 50.000–70.000) ist ein Hauptwerk des „poetischen Realismus“. Der berühmte Künstler hatte eine bald (noch) berühmtere Tochter - Alma Mahler, Geliebte von Gustav Mahler, Oskar Kokoschka und Walter Gropius. Unser Bild zeigt sie als Kind beim Pflücken des blühenden Flieders im Garten des Familienanwesens.

Insgesamt werden an vier Auktionstagen 1438 Kunstwerke mit einer mittleren Gesamtschätzung von 20 Millionen in 8 Katalogen bei Grisebach angeboten.

Die Vorbesichtigung in Berlin beginnt am 22. November in der Fasanenstraße 25, 27 und 73.

Micaela Kapitzky