Vorhang auf: Max Pechsteins „Russisches Ballett“, gemalt 1909 auf dem Höhepunkt des Brücke-Impressionismus, ist das Spitzenlos der Auktion Ausgewählte Werke vom 2. Juni in Berlin (EUR 2.000.000/3.000.000). Das marktfrische Gemälde befindet sich seit über 65 Jahren in Privatbesitz und wurde in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen Museumsausstellungen präsentiert (Pressemitteilung vom 14.03.22).
Nachdem die spektakuläre Wiederentdeckung der vergangenen Frühjahrsauktionen, Max Beckmanns niederländische Strandszene von 1934, an das Kunstmuseum Den Haag vermittelt werden konnte, wurde Grisebach abermals eines der begehrten Seestücke des Künstlers anvertraut. Das Meerbild „Grauer Strand“ von 1928 mit grandiosen malerischen Details ist auf 1.000.000 bis 1.500.000 Euro geschätzt und ein weiteres Highlight der Auktion Ausgewählte Werke.
Weiteres Glanzstück der kuratierten Abendauktion ist Alexej von Jawlenskys vibrierendes neoimpressionisitisches „Stilleben mit Blumen und Früchten“ (um 1905), das die intensive Auseinandersetzung mit der Kunst van Goghs und die Begeisterung für dessen charakteristische Pinselführung erkennen lässt
(EUR 200.000/250.000). „Symparabol“ von Gerhard Hoehme von 1959 ist ein Schlüsselwerk eines der eigenständigsten deutschen Künstler nach 1945: eine Komposition von starker Dynamik und delikater Farbigkeit (EUR 80.000/120.000). Gleich drei Gemälde Ernst Wilhelm Nays werden in der Abendauktion angeboten. Darunter „Mit grüner Scheibe“, das sich einreiht in die Serie der epochalen großformatigen „Documenta-Bilder“ von 1964 (EUR 250.000/350.000). Ein Meisterwerk aus der Spätphase von Hans Hartungs Schaffen kommt mit „T 1981 - H 12“ von 1981 zum Aufruf (EUR 120.000/150.000) – eine besonders dynamische Komposition, in der starke Kontraste aufeinandertreffen.
Auch die Zeitgenössische Kunst beeindruckt in der Auktion Ausgewählte Werke: Ein hochspannendes und seltenes Werk – erstmals auf einer Auktion – ist die Schnittzeichnung „Circle Grid Overlay“ des amerikanischen Konzeptkünstlers Gordon Matta-Clark aus dem Jahre 1977 (EUR 200.000/250.000). Hier lassen sich Bezüge zu einem der bekanntesten Werke des Künstlers herstellen: „Office Baroque“ aus dem gleichen Jahr, realisiert in Antwerpen. Mit Georg Baselitz ist darüber hinaus einer der wichtigsten deutschen Nachkriegskünstler vertreten: Seine Arbeit „6 schöne, 4 häßliche Porträts: häßliches Porträt 9“ von 1988 visualisiert Baselitz‘ Würdigung des „Häßlichen“, ganz im Sinne einer Nonkonformität mit dem Anspruch, immer wieder neu und anders zu denken (EUR 200.000/300.000). Das imposante Bild „Dunkle Figur“ von 1990/91 ist ein marktfrisches, charakteristisches Werk aus Arnulf Rainers Werkgruppe der Kreuzbilder (EUR 180.000/250.000). Die Kreuzform ist bereits seit den 1950er Jahren ein markanter Teil von Rainers künstlerischem Schaffen – kein Bekenntnis zur Religion, sondern zur Form als Ausdruck des menschlichen Körpers.
Nachdem ein erster Teil der hochkarätigen Expressionisten-Sammlung von Adalbert und Thilda Colsman 2016 von Grisebach erfolgreich versteigert wurde, ist der zweite Teil auch ein Highlight der kommenden Sommerauktionen. Den über 60 Werken aus dem Besitz von Thilda und Adalbert Colsman, dem Bruder von Gertrud und Schwager von Karl Ernst Osthaus, wird am 2. Juni eine eigene Auktion gewidmet. Die Sammlung umfasst die wichtigsten Protagonisten der modernen Malerei. An der Spitze des Angebots ist Emil Noldes eindrucksvolles Ölgemälde „Hohe See“ von 1939 mit einem Schätzpreis von 1.000.000 bis 1.500.000 Euro, gefolgt von „Christina“, einem eindringlichen, einfühlsamen Porträt seiner Nichte Christina Christensen aus dem Jahr 1915 (EUR 400.000/600.000). Von Ewald Mataré, mit dem die Sammler – wie mit vielen anderen Künstlern – persönlich bekannt waren, kommt unter anderem die „Große kniende Kuh“ zum Aufruf. Ein Meisterwerk, das durch seine Könnerschaft im Umgang mit dem Material und der Formgebung besticht (EUR 100.000/150.000).
In der Auktion Zeitgenössische Kunst am Abend des 3. Juni kommt eine Werkauswahl wichtiger deutscher Künstlerinnen und Künstler zur Versteigerung. Als Vertreterin des Neorealismus steuert Karin Kneffel das Diptychon „(F XXXVIII)“ von 1997 (180 × 360 cm) bei. Es fasziniert durch seine virtuose Ausführung und
stammt aus der begehrten Werkgruppe der Früchtestillleben (EUR 150.000/200.000). Markus Lüpertz`, „Pierrot Lunaire – DER DANDY“ von 1984 kann als Selbstbildnis gelesen werden, das die Heldenfigur „eingerüstet“ und distanziert zeigt (EUR 60.000/80.000). Ebenfalls aus dem Jahr 1984 stammt das monumentale Diptychon (230 × 340 cm) von Andreas Schulze, eine Arbeit wie sie nicht typischer sein könnte für Schulzes so ausdrucksstarke malerische wie bildhauerische Auseinandersetzung mit dem Thema des Interieurs (EUR 40.000/60.000).
Der Fokus der Abteilung Photographie liegt bei der kommenden Auktion auf den amerikanischen Pionieren der Farb- und Street-Photographie der 1960er bis 1980er Jahre, die nicht das Spektakuläre, sondern den ganz normalen Alltag in den USA einfangen. Angeboten werden Landschafts- und Stadtaufnahmen von Bruce Davidson, Helen Levitt, Saul Leiter oder Nicholas Nixon, ikonische Arbeiten von Lee Friedlander und Garry Winogrand bis hin zu Farbfotografie von Stephen Shore, Joel Meyerowitz, Lewis Baltz, Larry Sultan und Mitch Epstein. Über diese Schwerpunkte hinaus finden sich auch ausgewählte Beispiele von weiteren, wegweisenden internationalen Positionen, die das Angebot ergänzen wie etwa Michael Schmidt, Christer Strömholm oder Helmut Newton.
Eine der Raritäten der Auktion Kunst des 19. Jahrhunderts ist Paul Cézannes „Homme nu“ (1862/65): eine frühe Meisterzeichnung, die über ihre virtuos gesetzten Hell-Dunkel-Flächen bereits die für Cézannes Werk so charakteristische Formsuche nach Doppeldeutigkeiten vor Augen führt (EUR 50.000/70.000). Einen Schwerpunkt bilden ausgesuchte Werke aus dem Oeuvre von Max Klinger: mehrere vollständige Grafikfolgen, seltene Probedrucke, brillante Aktzeichnungen und farbige Studien aus der Sammlung von Fritz Tögel, der zum Bekannten- und Freundeskreis von Klinger gehörte und die Arbeiten direkt aus dessen Nachlas erwarb. „Der heilige Eustachius“ von Albrecht Dürer ist nicht nur eine der prächtigsten und detailreichsten Arbeiten aus dem Œuvre eines der größten deutschen Künstler, sondern zugleich auch sein größter je geschaffener Kupferstich. Ein feiner, klarer Abzug der wohl noch zu Lebzeiten Dürers oder unmittelbar nach seinem Tod entstanden ist (EUR 40.000/60.000). Die stimmungsvolle, traumverwandte Bleistiftzeichnung „In der Kirche“ von Adolph Menzel (nach 1898) stammt aus der Sammlung der Berliner Sparkasse und wird in der Auktion Ausgewählte Werke ihren großen Auftritt haben (EUR 60.000/80.000).
Insgesamt werden bei den Sommerauktionen vom 1. bis 3. Juni 660 Kunstwerke mit einem mittleren Schätzpreis von insgesamt EUR 16 Millionen in sechs Auktionen versteigert.
Die Vorbesichtigung aller Werke in Berlin an drei Standorten in der Fasanenstraße (25, 27, 73) findet vom 24. bis 31. Mai statt. Die Sondervorbesichtigung Sammlung Adalbert & Thilda Colsman vom 6. bis 14. Mai.
Micaela Kapitzky