Ausstellung: 2. September bis 3. Oktober 2020
Eröffnung: Dienstag, 1. September, 18 Uhr
Da lag sie also, die riesige Leinwand: auf dem Dachboden eines alten Dresdner Stadthauses, sorgfältig gerollt und aufgebockt. Die unverschämt modernen Ölstudien und Fotos der sich im seichten Mittelmeer räkelnden Frauen schürten unsere Neugier. Die kleinformatige Kompositionsskizze gab eine Idee. Das Augenfest beim Ausrollen der farbgewaltigen Stoffbahn in einem Berliner Restauratorenatelier übertraf jede Erwartung: Vor uns erhob sich – Zentimeter für Zentimeter – ein einäugiger Riese vor blendend-blauem Rivierahimmel, weiße Wolkenberge, so licht wie das strahlende Inkarnat der verängstigten Schönheiten, deren physische Präsenz keine entrückten Meerwesen, sondern Frauen im Hier und Jetzt zeigen. Ihr Playground: eine irritierend flirrende, rhythmisch abstrahierte Wasserlandschaft vor sonnenglühenden Zyklopenfelsen.
Grisebach freut sich, ab dem 2. September die Ausstellung „King Kong kommt aus Dresden. Die Wiederentdeckung des Malers Max Pietschmann“ zeigen zu können. Leitmotiv der Schau ist ein verschollen geglaubtes Hauptwerk des Künstlers, das monumentale Ölgemälde „Fischzug des Polyphem“ (380 x 260 cm). Außerdem werden Bilder, Fotografien und Briefe aus seinem Nachlass präsentiert.
Max Pietschmann (1865 – Dresden – 1952) studierte ab 1883 an der Kunstakademie in Dresden. Ein Reisestipendium ermöglichte ihm 1889 den Besuch der Pariser Académie Julien. Anschließend arbeitete er für zwei Jahre in Italien, in Rom und vor allem auf Sizilien. Sein hier entstandenes Hauptwerk „Polyphem“ zeigt die enorme Schöpferkraft seiner frühen Jahre: Ein Mammutwerk, so selbstbewusst, kraftvoll und avantgardistisch wie die internationale Kunstgegenwart seiner Zeit. Das „beflügelnde Fieber“, so der Romancier Robert Musil, das sich „aus dem ölglatten Geist der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts plötzlich in ganz Europa erhob“, hatte das junge Talent angesteckt. Mit unersättlicher Neugier saugte Pietschmann Neues wie Altes in sich auf und beseelte die sagengetränkte Landschaft Siziliens in freier literarischer Adaption und sprichwörtlich mythischer Schöpferkraft mit seinen ureigenen Bildfindungen. Die Präsentation und Auszeichnung des „Polyphem“ auf der Weltaus-stellung in Chicago 1893 markiert den ersten Höhepunkt seiner Karriere.
Der Künstler steht mit seiner mystifizierenden Natursicht in der Tradition Arnold Böcklins und Max Klingers und und gilt als Vertreter des Deutschen Symbolismus. Als führendes Mitglied des progressiven „Goppelner Kreises“ führt er die Plainairmalerei in Dresden auf ein neues Niveau und bereitet die 1893 gegründete Sezession maßgeblich mit vor, deren stellvertretenden Vorsitz er 1899 übernimmt. Die schöpferisch kraftvollen Interpretationen aktueller nationaler wie internationaler Einflüsse des Symbolismus, des Impressionismus und des frühen Jugendstils begründen Pietschmanns Rolle als bedeutender Protagonist der „neuen Richtung der Malerei“ in Dresden. Zusammen mit Künstlern wie Oskar Zwintscher, Richard Müller, Hans Unger und Sascha Schneider gehört er zur „Phalanx der Starken, die um die Jahrhun-dertwende Dresdens Kunst bedeutete“ (Kuno v. Hardenberg, 1928).
Der Symbolismus als europaweite Kunstbewegung der Frühmoderne feiert in unseren Tagen sein Comeback. Mit der Wiederentdeckung dieses frühen Hauptwerkes ist Pietschmann erneut ganz vorne mit dabei!
Die Ausstellung wurde kuratiert von Dr. Anna Ahrens, Frida-Marie Grigull und Luca Meinert.
Eröffnung
Dienstag, 1. September 2020, 18 Uhr
Grisebach, Fasanenstraße 25, 10719 Berlin
Ausstellung
2. September bis 3. Oktober 2020
Mo. bis Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 16 Uhr