In den Frühjahrsauktionen vom 1. bis 4. Juni 2016 bietet Grisebach 1487 Gemälde, Photographien, Graphiken, Skulpturen und Objekte an. Die Werke verteilen sich auf sechs Bereiche in acht Katalogen: 19. Jahrhundert, Ausgewählte Werke, Moderne Kunst, Sammlung Adalbert und Thilda Colsman, Zeitgenössische Kunst, Photographie, ORANGERIE und Third Floor. Die mittlere Schätzsumme aller zur Auktion stehenden Werke und Objekte liegt bei 19,5 Millionen Euro.
Kunst des 19. Jahrhunderts
Die Abteilung Kunst des 19. Jahrhunderts präsentiert über 130 Lose, darunter bedeutende Werke der Sammlungen Rudolf Mosse und Eugen Roth.
Die Kunstsammlung des Berliner Zeitungsverlegers Rudolf Mosse war im Jahre 1934 die erste, die von den Nationalsozialisten zwangsversteigert wurde. Nach intensiven Verhandlungen wurden drei Hauptwerke der Sammlung aus deutschen und Schweizer Museen an die Erben nach Rudolf Mosse restituiert und von der Rudolf Mosse Erbengemeinschaft an Grisebach übergeben.
Es sind bedeutende Werke der Kunst des 19. Jahrhunderts, die jetzt in dem Berliner Auktionshaus versteigert werden: Adolph Menzels Pastell „Emilie, die Schwester des Künstlers, in roter Bluse“ (Schätzpreis € 300.000-400.000), Wilhelm Leibls „Bildnis des Appellationsrats Stenglein“ (€ 120.000-150.000) und Ludwig von Hofmanns „Frühlingssturm“ (€ 200.000-300.000), eines der zentralen Bilder des deutschen Jugendstils.
Eugen Roth (1895-1976) war nicht nur ein renommierter Dichter, der vor allem für seine „Ein Mensch“-Gedichte berühmt ist. Er hat auch zeitlebens besessen Zeichnungen des 19. Jahrhunderts gesammelt. Viele Jahre lagen sie unberührt in Eugen Roths Grafikschrank. Aus dem Nachlass kann Grisebach ein großes Konvolut bedeutender Blätter der frühen Romantik versteigern (Schätzpreise zwischen € 1.000 und 30.000).
Ausgewählte Werke, Moderne Kunst und
Sonderkatalog Sammlung Colsman
In einem Sonderkatalog fasst Grisebach für die Frühjahrsauktionen 20 Werke aus der Sammlung von Adalbert und Thilda Colsman zusammen, darunter Emil Noldes „Weiße Wolken“ (€ 1.200.000 – 1.600.000) und Christian Rohlfs’ „Blaue Berge“ (€ 120.000 – 150.000). Der Seidenfabrikant Adalbert Colsman hatte einen einzigartigen Zugang zur Kunst, der ihn nachhaltig prägte: Als Bruder von Gertrud und Schwager von Karl Ernst Osthaus lebten er und seine Frau Thilda im unmittelbaren Umfeld des Gründers des Folkwang Museums, dem ersten Museum weltweit, das sich vorrangig der Gegenwartskunst widmete. Das Sammlerpaar pflegte freundschaftlichen Kontakt zu Christian Rohlfs, Ewald Mataré, Otto Dix und anderen Künstlern. Mit Ada und Emil Nolde waren sie über 50 Jahre eng verbunden. Colsmans unterstützten den Maler und seine Frau durch Ankäufe in schwierigen Zeiten und gewährten einigen von Noldes Bildern in Zeiten des Malverbots Asyl.
Zu den weiteren Höhepunkten im Bereich Moderne Kunst gehören Arbeiten von Otto Mueller, Lovis Corinth, George Grosz, Anton Räderscheidt und Konrad Klapheck.
Otto Muellers mit € 1.000.000 bis 1.500.000 bewertetes Werk „Zwei Mädchen mit gegabeltem Baum“, um 1916/17, wurde erstmals in der Berliner Secession 1917 ausgestellt und ist charakteristisch für die Malerei von Otto Mueller.
In seiner Münchner Zeit von 1891 bis 1901 traf Lovis Corinth oft Max Halbe und malte den Dramatiker und seine Familie. Aus dieser Zeit stammt das Portrait von Berta Heck, der Schwester von Halbes Frau Luise (€ 280.000 – 340.000). Corinth verbindet hier die Nahsicht auf die Portaitierte mit einem weit ausgreifenden Landschaftspanorama.
George Grosz berichtete 1925 seinem Freund Mark Neven DuMont nach einer langen Reise, dass er nun fleißig an „water colours“ arbeite. Eines dieser Werke, das Aquarell „Drinnen und Draußen“, das nun bei Grisebach mit € 200.000 – 300.000 angeboten wird, war bereits in den Jahren nach der Fertigstellung ein vielbeachtetes Werk und in Ausstellungen u.a. im Kunsthaus Zürich und in der Galerie Flechtheim 1930 zu sehen.
Anton Räderscheidts Bild „Junger Mann mit gelben Handschuhen“ von 1921 (€ 180.000 – 240.000 ) entstammt der zentralen Werkphase des Künstlers, mit der er zu einem der wichtigsten Vertreter des „Magischen Realismus“ in Deutschland avancierte.
Eduardo Chillida, Schöpfer grandioser Monumentalplastiken wie der „Windkämme“ an der Steilküste bei San Sebastián, der Skulpturengruppe „Berlin“ vor dem Berliner Bundeskanzleramt, war auch ein Meister des kleinen Maßstabs. Das beweist die Arbeit „Óxido 61“ aus gebranntem Ton aus dem Jahr 1981, die bei Grisebach bei € 200.000–300.000 liegt.
Zum Aufruf kommt neben den insgesamt rund 270 Losen aus diesem Bereich auch Konrad Klaphecks „Vergebliches Warten“ (€ 90.000 – 120.000), das 1966 erstmals in einer Einzelausstellung in der Kestner-Gesell-schaft Hannover zu sehen war. Der Künstler blickte zu diesem Zeitpunkt auf gerade einmal elf Schaffensjahre zurück. Heute zählen diese Arbeiten Klaphecks, in denen Mensch und Objekt verschmelzen, zum internationalen Kunstgut.
Zeitgenössische Kunst
An der Spitze dieser Abteilung mit rund 140 Losen steht mit einem Schätzpreis von € 500.000 – 700.000 Kazuo Shiragas „KINKO. Bunt wie Herbstblätter“. Kein anderer war so sehr Körpermaler wie der Japaner. Shiragas Kunst der vulkanischen Farbflüsse vereint die Disziplin der Zen-Malerei mit dem gestischen Informalismus, die die Westkunst der Nachkriegsepoche bestimmt hat.
Sigmar Polkes „Ohne Titel (Münster 1973)“ zeigt ein in die Mitte des Bildes gesetztes Paar während des Geschlechtsaktes. So statisch der Akt mittels weniger Linien wiedergegeben ist, so emotional aufgeladen ist der Farbklang der Komposition. Es ist, als hätte Sigmar Polke sich von außen nach innen zum Zentrum des Geschehens vorgearbeitet (Schätzpreis € 120.000 – 150.000).
Es ist die große Meisterschaft Neo Rauchs, dass er den Betrachter in eine vollkommene Verunsicherung stürzt. In „Garten im Sturm“ (Schätzpreis € 100.000 – 150.000) zeigt Rauch einzigartig einen archaischen Kampf der Sphären um die Deutungshoheit.
Düstere Stimmungen, Traum, das Unbewusste, Abgründige, Mystik, Fabelwesen, leichenblasse Haut – offenkundig ist Martin Eders faszinierendes Gemälde „Die Schlaflosen“ (€ 50.000 – 70.000) im Zuge einer Auseinandersetzung mit der Schwarzen Romantik entstanden.
Die Sammlertätigkeit des saarländischen Unternehmers Dietmar Klütsch nahm ihren Anfang Mitte der 1980er Jahre und führt als Schwerpunkt wichtige Bespiele der konkreten Kunst und der Zero Bewegung. Die Auswahl bei Grisebach umfasst Werke von Günther Uecker, Adolf Luther, Klaus Staudt, Leo Erb, Hermann Bartels und Raimer Jochims. Die Sammlung Klütsch wurde zuletzt in einer umfassenden Ausstellung im Museum Haus Ludwig für Kunstausstellungen Saarlouis gewürdigt.
Der „Weltempfänger“ von 2015 geht auf ein ereignisreiches Jahr im Leben von Isa Genzken zurück: 1982 nahm die Künstlerin an der Biennale in Venedig und der documenta in Kassel teil. Und es ist das Jahr, in dem sie ein herkömmliches Radiogerät, einen Weltempfänger, auf einem weißen Sockel postiert und es zum Kunstwerk erklärt. „Weltempfänger“ (Taxe: € 20.000–30.000) ist eine Spende der Künstlerin. Der Erlös kommt dem Verein KINDerLEBEN - Verein zur Förderung der Klinik für krebskranke Kinder e.V. zugute.
Photographie
Allein über 230 Losnummern moderner und zeitgenössischer Photographie werden im Rahmen der Frühjahrsauktionen bei Grisebach versteigert.
Zu den Raritäten auf dem Auktionsmarkt gehören Vintage-Abzüge, u.a. von Gertrud Arndt, Edward Steichen, André Kertész und Iwao Yamawaki. Das von Gertrud Arndt 1930 durch Schwarzweiß-Umkehrung gestaltete „Negativ-Portrait Wera Meyer-Waldeck“ zählt zu den „Klassikern“ der Bauhaus-Photographie (€ 10.000 - 15.000). Absolute Präzision und konzentrierte Lichtführung kennzeichnen Edward Steichens Studie einer Sonnenblume von 1921 (€ 20.000 - 30.000), während der ungarische Photograph André Kertész auf seinen Streifzügen durch Paris die ungewöhnlichen Momente und Begegnungen im Alltäglichen entdeckte (€ 20.000 -25.000). Eine einzigartige Zusammenstellung an Hauptwerken bietet Peter Keetmans „Konvolut für Bernd Lohse“, das der Photograph in den 1970er Jahren selbst auswählte und dem Publizisten Bernd Lohse schenkte (€ 45.000 - 55.000). Außerdem werden u.a. Vintages von Erwin Blumenfeld, Albert Renger-Patzsch, Tata Ronkholz, Otto Steinert, Josef Sudek und Fred Zinnemann versteigert.
Ursprünglich aus der Sammlung von Tom Jacobson stammen seltene Photographien des japanischen Architekten und Photographen Iwao Yamawaki, der von 1930 bis 1932 am Dessauer Bauhaus studierte. In dieser Zeit entstanden seine Aufnahmen moderner Architektur (Schätzpreise von € 3.000 bis € 5.000).
Zu den Höhepunkten aus dem Bereich der Zeitgenössischen Photographie gehören vier Arbeiten von Peter Beard, darunter ein Portrait von Andy Warhol in unikater Ausführung (€ 50.000 - 70.000) und ein übergroßer Abzug von „Large tusker“ (€ 20.000 - 30.000). Weiterhin hervorzuheben sind zwei Diasec-Arbeiten von Thomas Ruff (€ 22.000 - 28.000 / 25.000 – 30.000), das Portfolio „Aktion in einem Kreis“ von Günter Brus (€ 6.000 - 8.000) sowie Arbeiten von Robert Mapplethorpe, Hiroshi Sugimoto, Deborah Turbeville.
ORANGERIE Ausgewählte Objekte
Der Katalog der Sparte „ORANGERIE Ausgewählte Objekte“ zeigt magazinartig die schönen Künste im Crossover und beschreibt in Texten von Gesine Schwan, Margit J. Mayer, Simon Strauss und Wolfgang Uchatius deren „Konversations-qualitäten“. Unter den knapp 90 Losen sind auch Objekte aus dem Nachlass des Komponisten Hanns Eisler (1898–1962). Grisebach präsentiert im Auftrag der Erben dessen persönliche Geschenke von Künstlerfreunden wie Gustav Seitz und Fritz Cremer, darunter die Büste von Eislers bestem Freund Bertolt Brecht. Die Totenmaske und der Flügel des Komponisten verbinden Kunst- mit Kulturgeschichte.
Highlights der ORANGERIE sind ein Schreibkabinett von Hendrik van Soest (um 1700, Taxe: € 100.000 – 120.000) und ein Zylinderbureau von Abraham Roentgen (um 1770, Taxe: € 50.000 – 70.000). In leuchtend rotem Schildpatt einerseits und der duftigen Noblesse des Mahagoni andererseits sind dies Spitzenmöbel ihrer Zeit und Synonym für Qualität, Innovation und höchsten Luxus.
Die ORANGERIE bei Grisebach will außergewöhnliche Objekte zeigen und neue Türen zu den Angewandten Künsten öffnen. Dafür werden die Kunstwerke in inspirierender Mischung gezeigt: Der Bogen reicht vom gemalten Kunstkammer-stück von Daniel Fröschel, über Augentäuschungen aus italienischer Fayence, Prototypen von Ron Arads Designklassikern, über die Wiederentdeckung der „Ringer“-Skulptur von Reinhold Begas bis hin zu den gewebten Haschisch-Visionen aus dem marokkanischen Atlasgebirge – in Form von Berberteppichen aus den 1970ern.