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Grisebach
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Emil Lettré. Die Wiederentdeckung des Goldschmieds der Goldenen Zwanzigerjahre Berlins

01.11.2017, Berlin

Auktion ORANGERIE Ausgewählte Objekte Nr. 280
am 30. November 2017, 11 Uhr

Er war verantwortlich für das Gold der Goldenen Zwanziger: Emil Lettré. Pamela Wedekind trug seine Ohrringe (und ihn im Herzen). Rainer Maria Rilkes Freunde erkannten den Dichter an den Manschettenknöpfen, die ihm Lettré gefertigt hatte. Jetzt ist der gesamte Nachlass des Goldschmieds wieder aufgetaucht. Die Auktion ORANGERIE bei Grisebach trägt den Schmuck u.a. mit Fotos von Larissa Hofmann in das Berlin von 2017.

Alle zog er mit seiner Kunst in Bann. So gestand Rilke 1919 nach dem Besuch in Lettrés Werkstatt: „vor diesen stillen Gegenständen und dem Schaffen des Handwerkers habe er empfunden, daß hier der richtige Weg sei“. Der Poet bannte daraufhin die Kunst des Goldschmiedes in Verse und empfahl glühend das avantgardistische Geschäft in Berlin. Denn hier, Unter den Linden, trafen sich altes Kaiserreich und neue Republik, um Tafelsilber und Schmuck zu kaufen.

Lettré – immer im engsitzenden Smoking und Gast auf jeder Party des tanzenden Berlin der Roaring Twenties – lag dann schon einmal exzentrisch auf dem Boden und würdigte seiner Kunden keines Blickes. So distinguiert, wie er sich gab, war auch seine Kunst: elitäres Meisterhandwerk klar, linear, zeitlos, poetisch, rätselhaft, spröde. Alles war hier Einzelstück, alles teuer, alles atmete die große Welt der Zwanziger, deren flirrender Dynamik und freiem Geist Lettré huldigte.

Sein Freundeskreis waren die Künstler der Berliner Secession, die Maler Max Slevogt, Max Liebermann, Hans Purrmann, die Architekten John Campbell und Eduard Pfeiffer, die Fotografen Martha Huth und Waldemar Titzenthaler bannten sein Haus in Fotos. Reich sind die Publikationen über den Stargoldschmied Deutschlands und seine Kreationen, die Paul Westheim 1912 beschrieb: „Diese Schmuck- und Silbersachen kommen aus einer Werkstatt, die ein Gentleman regiert. Lettré hat den Chic und die Eleganz der großen Welt: seine Kostbarkeiten sind nobel wie eine Dame der guten Gesellschaft und an Reizen verführerisch wie sie.“

Das Lebensgefühl in Gold, Silber und Edelstein schätzte auch Schauspielerin Pamela Wedekind, die ihren „Emilio“ liebte und mit Klaus und Erika Mann und Berlins Poeten- und Theaterwelt zusammenbrachte. Gerhart Hauptmann, damals der bekannteste deutsche Dramatiker, ließ bei ihm Goldkunstwerke fertigen. Lettré, galt vielen als „Goldschmied Europas“: 1925 würdigte ihn deshalb die Royal Academy of Arts in London mit einer Einzelausstellung, 1937 gewann er den Grand Prix auf der Weltausstellung in Paris. Dann folgte Dunkelheit in Deutschland und Emil Lettré verlor alles: Geschäft, Smoking, Kunden, Freunde, künstlerische Poesie.

Nun ist der bisher verschollen geglaubte Nachlass des Künstlers wieder aufgetaucht und wird in 60 Losen von Gold- und Platinschmuck sowie Tafelsilber und Silberschmiedearbeiten bei Grisebach Berlin versteigert. Der umfangreiche schriftliche Nachlass bot eine Grundlage für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Stücke und wird nach der Auktion dem Archiv des Deutschen Goldschmiedehauses in Hanau übergeben.

Lettrés zeitlose Kreationen sind ein silbergleißender Ruf aus einer goldenen Zeit, als der „Artisan“, wie Rilke ihn nannte, die Poeten verzauberte. Nun verzaubert er unsere Gegenwart.